100 Jahre

Friedrich-Ebert Stiftung
auf einen Blick

Hier horizontal durch die Geschichte scrollen →

Die Geschichte der Friedrich-Ebert-Stiftung ist eng verknüpft mit der historischen Entwicklung Deutschlands und den weltpolitischen Zäsuren der vergangenen 100 Jahre. Die wichtigsten Ereignisse im Überblick.

SVG Image

1925–1953

Reichspräsident
Friedrich Ebert, um 1919

Reichspräsident Friedrich Ebert, um 1919

Gründung,
Verbot
und Neuanfang

Friedrich Ebert auf der
        Treppe des Reichstagsgebäudes
        am Verfassungstag, 11.8.1922

Friedrich Ebert auf der Treppe des Reichstagsgebäudes am Verfassungstag, 11.8.1922

1925

Wenige Tage nach dem Tod von Reichspräsident Friedrich Ebert gründet der Parteivorstand der SPD am 2. März die Friedrich-Ebert-Stiftung. Ausschließlicher Zweck ist die Förderung junger Menschen aus Arbeiterfamilien.

Friedrich-Ebert-Stiftung:
Die Anfänge

Als unselbstständige Einrichtung der SPD verfügt die Stiftung zunächst über keine:n Geschäftsführer:in. Verantwortlich für die Stiftung ist Parteikassierer Konrad Ludwig. Er verwaltet die Gelder als Sondervermögen der SPD und treibt die Arbeit der kleinen Stiftung voran. Zur Gründungszeit der Stiftung stammen nur zwei Prozent der deutschen Studierenden aus Arbeiter:innenfamilien. Für viele junge Menschen aus dem Arbeitermilieu ist ein Studium nicht erschwinglich. Vor Gründung der Friedrich-Ebert-Stiftung gibt es kaum finanzielle Unterstützung für sie. Zwischen 1925 und 1931 unterstützt die Stiftung 295 Studierende mit insgesamt 51.960,50 Reichsmark. Außerdem erhalten zu Beginn auch Abiturient:innen Unterstützung durch die Stiftung. Die ersten Stipendiat:innen der Friedrich-Ebert-Stiftung sind ehrgeizig. Zusätzlich zu ihrem Engagement in der SPD schreiben viele von ihnen für Partei- und Gewerkschaftszeitungen oder geben ihr Wissen als Referent:innen an Jugendgruppen weiter. Mit ihren bescheidenen finanziellen Mitteln beschränkt sich die Friedrich-Ebert-Stiftung in den 1920er-Jahren auf die Studienförderung. Obgleich die politische Bildung ein zentrales Anliegen für die in der Nachkriegszeit neu gegründete Stiftung ist, ist dies in der SPD Aufgabe des Reichsausschusses für sozialistische Bildungsarbeit.

ab 1931

Nach der Erkrankung von SPD-Kassenwart Konrad Ludwig erlahmt die Tätigkeit der Stiftung.

Fehlende Unterstützung für Arbeiterkinder

Weil die Stiftung nicht in der Partei verankert, sondern weitgehend vom Engagement des Parteikassierers abhängig ist, kommen nach seiner schweren Erkrankung keine neuen Gelder mehr herein. Gleichzeitig scheitert die SPD-Reichstagsfraktion mit ihrem Vorstoß, begabte Arbeiter:innenkinder mit öffentlichen Mitteln zu fördern. Anfang der 1930er-Jahre gibt es damit für junge Männer und Frauen aus Arbeiter:innenfamilien fast keine Unterstützungsmöglichkeiten mehr, zumal die Studienstiftung des deutschen Volkes ihnen den Zugang zur Förderung nun immer häufiger verwehrt und sich stattdessen auf die Unterstützung von Kindern aus dem Mittelstand konzentriert.

1933

Adolf Hitler, der „Führer“ der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), wird am 30. Januar Reichskanzler. Die Nationalsozialisten beschlagnahmen am 10. Mai das Vermögen der SPD. Damit endet die Stiftungsarbeit vorerst.

Vorläufiges Ende der Stiftungsarbeit

Fünf Wochen nach der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler besetzen SA-Männer und Polizisten am 6. März 1933 das Lindenhaus, die SPD-Parteizentrale in der Berliner Lindenstraße. Eine Gruppe junger Sozialdemokrat:innen, darunter Alfred Nau und Fritz Heine, hatte kurz zuvor Unterlagen beiseitegeschafft und den Panzerschrank im Zimmer des Parteikassierers mit wertlosen Geldscheinen aus der Inflationszeit gefüllt: „Vorweggenommene Schadenfreude über die langen oder wütenden Gesichter der Nazischergen entschädigte für einiges andere“, so Willy Brandt später in seiner Trauerrede für Alfred Nau. Einige ehemalige Stipendiat:innen der Friedrich-Ebert-Stiftung werden verhaftet, weil sie der Arbeiter:innenbewegung angehören. Wie viele Deutsche passen sich aber auch einige von ihnen an, treten der NSDAP bei oder werden für NS-Organisationen tätig. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs werden zahlreiche einstige Stipendiat:innen zur Wehrmacht eingezogen.

Besprechung im Widerstand, Marseille 1940. Darunter das spätere Vorstandsmitglied Fritz Heine (hinten, 3. v. l.)

Besprechung im Widerstand, Marseille 1940. Darunter das spätere Vorstandsmitglied Fritz Heine (hinten, 3. v. l.)

am Verfassu

1945

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs gründet sich die SPD im Oktober neu. Bereits drei Wochen vor Kriegsende hatte Mitte April 1945 eine Gruppe Sozialdemokrat:innen in Hannover beschlossen, die SPD so schnell wie möglich wiederzugründen.

1947

SPD-Schatzmeister Alfred Nau ruft die Friedrich-Ebert-Stiftung wieder ins Leben. Die ersten Stipendien werden im Wintersemester 1947/48 vergeben.

Wiederaufnahme der Stiftungsarbeit

Angesichts der leeren Parteikasse und der drängenden Probleme in den Nachkriegsmonaten hat die Wiedergründung der Stiftung für viele Sozialdemokrat:innen zunächst keine Priorität. Anders für sozialdemokratische Studierende: ihre Lage ist miserabel. Es fehlt ihnen an fast allem: Essen, Heizmaterial, Kleidung, Wohnraum und Büchern. Einer Umfrage der Universität Köln zufolge sind im Jahr 1947 rund 95 Prozent der dort eingeschriebenen Studierenden unterernährt. Die wiedergegründete Stiftung soll junge Menschen aus Arbeiter:innenfamilien finanziell unterstützen. So erhalten ab November 1947 zehn Studierende 150 Reichsmark pro Monat. Nach dem erfolgreichen Neustart stockt die Stiftungstätigkeit aber bereits im Juli 1948: Wegen der Währungsreform können die Unterstützungsleistungen vorerst nicht ausbezahlt werden. Erst im Laufe des Sommers laufen die Zahlungen wieder an, nun in der Regel in Höhe von 75 D-Mark pro Monat. Bis 1950 fördert die Stiftung rund 300 Studierende. Im Laufe der Zeit wird die Vergabe der Stipendien zunehmend komplexer: Der SDS legt 1949 Länderquoten fest, nach denen die Unterstützungsleistungen gewährt werden. Ab 1950 müssen die Stipendiumsbewerber:innen detaillierte Angaben unter anderem zu ihrem bisherigen Bildungsweg, dem eigenem Verdienst und dem Einkommen der Eltern machen.

Zeitabschnitt 1925-1954

1954–1968

Die Erfindung der politischen Stiftung

Zeitabschnitt 1925-1954
Die Mitglieder des SPD-Parteivorstands Alfred Nau, Fritz Heine, Erich Ollenhauer, Willi Eichler und Wilhelm Mellies auf dem SPD-Parteitag in Berlin am 20.7.1954 (v. l. n. r.)

1954

Die Friedrich-Ebert-Stiftung wird in Bonn als Verein gegründet. Neben der Studienförderung wird Demokratiebildung zu ihrer zentralen Aufgabe.

Neue Grundlage – klar definierte Aufgaben

Damit fasst die Friedrich-Ebert-Stiftung ihr Aufgabenfeld sehr viel weiter als in der Weimarer Republik und in den ersten Jahren nach ihrer Wiedergründung, als sie ausschließlich Studierende förderte. Mit der Gründung des Vereins ist es leichter, öffentliche Gelder einzuwerben. Außerdem bekommt die Stiftung eine neue institutionelle Grundlage und klar definierte Aufgaben. Noch unter dem Eindruck der nationalsozialistischen Diktatur soll die politische Bildungsarbeit nun deutlich über die reine Schulung von Funktionär:innen hinausgehen. Mit Erwachsenenkursen und eigenen „Schulungsheimen“ will die Stiftung den „demokratischen Gedanken“ in der Bundesrepublik fördern. Daneben besteht die Studienunterstützung fort: Laut Satzung soll der Verein „wissenschaftlich hervorragend begabte und nach ihrer Persönlichkeit besonders geeignete Studenten“ unterstützen. Dritte Aufgabe des Vereins ist es, die „internationale Verständigung zu vertiefen“ und dazu „Auslandsreisen junger Menschen [zu] finanzieren“ – die Keimzelle für die internationale Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung. Damit umreißt die Satzung bereits drei der heutigen fünf Säulen der Stiftungsarbeit, die in den folgenden Jahren durch die Bereiche wissenschaftliche Arbeit sowie politische Beratung und Analyse ergänzt werden sollen.

1956

Das erste Schulungshaus der Stiftung, die Heimvolkshochschule Bergneustadt, wird eröffnet.

Schulhaus in Bergneustadt
Die Heimvolkshochschule Bergneustadt im Jahr ihrer Eröffnung 1956.

Ein internationaler Treffpunkt

Die Partei braucht die Schule insbesondere, um haupt- und ehrenamtliche Funktionär:innen für die konkrete Arbeit vor Ort, etwa für Wahlkämpfe oder Mitgliederwerbung, zu schulen. Nach den Plänen des Architekten Joachim Steinecke entsteht in der idyllischen Landschaft außerhalb von Bergneustadt ein schlichtes einstöckiges Gebäude mit drei Hörsälen, verschiedenen Seminarräumen, einer Bibliothek, einem Speisesaal sowie Ein- und Zweibettzimmern für rund 50 Gäste. Das erste Seminar beginnt gut zwei Wochen nach der Eröffnung. Die Teilnehmenden – Parteisekretäre, Gewerkschafter und Betriebsratsmitglieder – beschäftigen sich mit dem Thema „Sozialismus gestern und heute“, hören Referate und arbeiten in kleineren Gruppen zu historischen, wirtschaftlichen und kulturellen Aspekten. Abends finden Filmvorführungen oder Konzerte statt. Neben den Kursen organisiert die Stiftung in auch Wochenendseminare und Begegnungen mit hochrangigen Redner:innen, um so den Austausch unterschiedlicher Positionen zu ermöglichen. Mit ihrem breit gefächerten Programm entwickelt sich die Heimvolkshochschule rasch zu einer wichtigen Adresse in der Bonner Republik und zum internationalen Treffpunkt.Sie wird so zum Modell für die Gründung weiterer Bildungseinrichtungen, zunächst in „Entwicklungsländern“ und später auch in Deutschland.

1956/57

Die Friedrich-Ebert-Stiftung erhält Bundesmittel zur Förderung ihrer Stipendiat:innen. Erstmals unterstützt sie auch internationale Studierende.

Freundschaften fürs Leben

Mit der öffentlichen Finanzierung ändert sich das Auswahlverfahren: Kandidat:innen werden nun nicht mehr vom SDS vorgeschlagen, sondern von Professor:innen. Von nun an geht es auch darum, den Stipendiat:innen ein vertieftes Verständnis politisch-gesellschaftlicher Probleme und demokratischer Praxis zu vermitteln. Ab dem vierten Semester erhalten sie 195 D-Mark monatlich, etwa die Hälfte des damaligen Durchschnittslohns in der Bundesrepublik, hinzu kommen 15 D-Mark Büchergeld. Die finanzielle Unterstützung ist damit sehr viel höher als in der unmittelbaren Nachkriegszeit und in der Weimarer Republik, als Geförderte teilweise als Reinigungskräfte an der eigenen Bildungseinrichtung arbeiten mussten, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Mit der öffentlichen Finanzierung fördert die Stiftung nun auch junge Menschen aus dem Ausland: Die ersten internationalen Stipendiat:innen kommen aus Afghanistan, Guinea, dem ehemaligen Jugoslawien, Kenia, Korea und Marokko, den USA, Spanien und Israel. Um Unterstützung im Alltag zu geben, stellt die Stiftung ihnen deutsche Stipendiat:innen als Mentor:innen zur Seite. Oft entstehen Freundschaften fürs Leben. Auch nach dem Ende der Förderung bleibt die Stiftung mit den Auslandsstipendiat:innen in Verbindung und baut sich so ein hochkarätiges internationales Netzwerk auf.

Geschäftsführer Günter Grunwald im Gesprächmit deutschen geförderten Studierenden, um 1957

Geschäftsführer Günter Grunwald im Gespräch mit deutschen geförderten Studierenden, um 1957

1959

Die SPD öffnet sich mit dem Godesberger Programm breiteren Wähler:innenschichten. Vorstandsmitglieder der Stiftung nehmen Einfluss auf das neue Profil der Partei.

Aufstieg zur linken Volkspartei

Durch die bewusste Öffnung über die Arbeiter:innenschaft hinaus und die Streichung marxistischer Bezugnahmen signalisiert das Programm eine Wende: den Aufstieg der Sozialdemokratie von der Klassenpartei zur linken Volkspartei. Der demokratische Sozialismus bleibt weiterhin Fernziel, aber die Sozialdemokratie bekennt sich nun zur Marktwirtschaft. Dem Staat wird dabei die aktive Rolle zugeschrieben, soziale Ungleichheit zu bekämpfen und wirtschaftliche Stabilität zu garantieren. Auch akzeptiert die SPD die Kirchen als gesellschaftliche Akteure. Gleichzeitig leitet die Neuorientierung den Bruch zwischen der SPD und dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund SDS ein, der 1961 endgültig erfolgt. Als „Vater des Godesberger Programms“ gilt der Vorsitzende der Programmkommission Willi Eichler, der zugleich dem Vorstand der Friedrich-Ebert-Stiftung angehört. Auch Gerhard Weisser nimmt als führendes Mitglied der Kommission Einfluss auf das neue Profil der Partei. Vertreter:innen der Friedrich-Ebert-Stiftung sind damit eng in die Formulierung des Grundsatzprogramms eingebunden. Weil das Godesberger Programm die Bildungsarbeit aufwertet, gewinnt die Stiftung zudem innerhalb der SPD weiter an Bedeutung. Außerdem erweitern sich mit der Öffnung der Partei auch die Zielgruppen der Stiftung.

Geschäftsführer Günter Grunwald im Gesprächmit deutschen geförderten Studierenden, um 1957

Willi Eichler auf dem außerordentlichen SPD-Parteitag in Bad Godesberg, November 1959

1960

Das neue Forschungsinstitut veröffentlicht die erste wissenschaftliche Studie der Stiftung, kurz darauf erscheint die erste Ausgabe der Zeitschrift „Archiv für Sozialgeschichte“.

Wichtige Impulse für wissenschaftliche Arbeit

Die wissenschaftliche Arbeit wird zur vierten Säule der Friedrich-Ebert-Stiftung. Es ist das erste Feld, das über die in der Satzung festgeschriebenen Stiftungsziele – die Studienförderung, die Bildungsarbeit und die internationale Verständigung – hinausgeht. Die Stiftung gründet die wissenschaftliche Zeitschrift „Archiv für Sozialgeschichte (AfS)“, die in der Tradition des „Grünberg’schen Archivs“ des Austromarxisten Carl Grünberg stehen soll. Der erste Band wird mit Spenden finanziert. Rasch etabliert sich das AfS in der Fachwelt, auch weil es dem jungen Forschungsfeld Sozialgeschichte wertvolle Impulse gibt. Bis heute gehört das „Archiv für Sozialgeschichte“ zu den großen, international anerkannten geschichtswissenschaftlichen Fachzeitschriften. Mit dem Ziel, die Anstrengungen auf wissenschaftlichem Gebiet zu bündeln, richtet die Friedrich-Ebert-Stiftung in ihrer Zentrale in der Koblenzer Straße eine kleine Forschungsstelle ein, die später zum Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung wird.

1963

Die Stiftung begibt sich mit der Gründung des Gesprächskreises Wissenschaft und Politik auf den Weg zu einem Thinktank.

Auf dem Weg zum Thinktank

Die Teilnehmenden erarbeiten eine Zukunftsstudie, die politische Herausforderungen in Bereichen wie Bildung, Gesundheit, Stadtplanung und Verkehr aus wissenschaftlicher Sicht diskutiert. Die 1965 daraus hervorgegangene Denkschrift „Deutschland 1975“ ist nichts weniger als „ein Versuch, Politikberatung zu praktizieren“, so Willy Brandt im Vorwort. Zu einem kleinen Skandal kommt es, als Brandt 1964 in einer Rede auf dem SPD-Parteitag von einem „Kreis anerkannter wissenschaftlicher Berater“ spricht, der ihm mit dem Gesprächskreis Wissenschaft und Politik „zur Seite“ stehe. Nachdem die SPD-Pressestelle daraufhin die Namen der 36, übrigens ausschließlich männlichen, Wissenschaftler veröffentlicht, protestieren zwei der Genannten dagegen, „ungefragt als Berater einer Partei präsentiert“ zu werden. Ein Dritter schließt sich ihnen an. Die Aufregung um die vermeintlichen Parteiberater ebbt jedoch bald ab, während der Gesprächskreis Wissenschaft und Politik bestehen bleibt und zu einer festen Einrichtung wird. Die Friedrich-Ebert-Stiftung bringt hier in den folgenden Jahren Wissenschaftler:innen und Politiker:innen zu Vorträgen, Diskussionen oder in Arbeitsgemeinschaften zusammen. Dem Gesprächskreis Wissenschaft und Politik steht ab 1967/68 ein eigenes Clubhaus zur Verfügung, zunächst in der Zitelmannstraße, später in einer Villa neben dem neu erbauten Archiv der sozialen Demokratie in Bad Godesberg.

1964

Die Stiftung entsendet Gewerkschaftsberater ins Ausland. Finanziert wird diese „Entwicklungshilfe“ vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Entsendeprogramm als Teil der Personalpolitik

18 Gesandte, allesamt Männer, begeben sich in Länder wie Sambia, Kenia, Madagaskar, Indien, Sri Lanka und Indonesien sowie Chile und Peru. Die jüngsten sind gerade einmal 22 Jahre alt, aber auch ein sechzigjähriger Pädagoge ist dabei. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat ihn ausgewählt, weil er lange als Lehrer an deutschen Schulen in Lateinamerika unterrichtete. Alle haben Erfahrungen in der Gewerkschaftsarbeit und sind sechs Monate auf ihre Tätigkeit vorbereitet worden. An ihrem Einsatzort angekommen, arbeiten die Gesandten zunächst unter einfachsten Bedingungen, ohne eigene Büros und mit geringem Budget. Mit der Entsendung dieser Mitarbeitenden übernimmt die Friedrich-Ebert-Stiftung in gewisser Weise die Außenvertretung des DGB in „Entwicklungsländern“. Für die im Wachstum begriffene Stiftung ist das Entsendeprogramm zudem Teil der Personalpolitik: Viele Mitarbeitende, die sich im Ausland bewähren, übernehmen später verantwortliche Positionen in der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Fortbildungsprogramm für
          genossenschaftliche Fachkräfte aus Malaysia vom 1.10.1965 bis 1.8.1966 in der Heimvolkshochschule Bergneustadt
Fortbildungsprogramm für genossenschaftliche Fachkräfte aus Malaysia vom 1.10.1965 bis 1.8.1966 in der Heimvolkshochschule Bergneustadt

1965

In Madagaskar nimmt die erste Heimvolkshochschule im Ausland, die Fondation Philibert Tsiranana, die Arbeit auf.

Schulungen für Führungskräfte im Ausland

Sie bietet jedes Jahr Schulungen für rund 300 Führungskräfte aus Verwaltung und Politik. In den ersten Jahren bewährt sich das Konzept der „feste[n] Plätze“, wie die Friedrich-Ebert-Stiftung diesen Teil der Auslandsarbeit – vor Ort und in eigenen Räumlichkeiten – bezeichnet und bald eröffnen weitere Heimvolkshochschulen in Costa Rica, Sambia, Indonesien und Sri Lanka. Im arabischen Raum setzt die Friedrich-Ebert-Stiftung ebenfalls auf Präsenz. In der libanesischen Hauptstadt Beirut richtet die Stiftung ihr Regional Office for the Middle East ein.

1967

Angesichts der Wahlerfolge der Nationaldemokratischen Partei Deutschland (NPD) verstärkt die Stiftung ihre Bildungsarbeit gegen rechts.

Bildungsarbeit gegen rechts

In Bergneustadt kommen 37 Expert:innen und eine Expertin zu einem Arbeitsgespräch über „Erscheinungsformen des Rechtsradikalismus und die Möglichkeiten der Auseinandersetzung“ zusammen. Kurz darauf leitet die Friedrich-Ebert-Stiftung ein Bündel an Maßnahmen ein, schult Angehörige der Bundeswehr und Journalist:innen, organisiert Fachkonferenzen und sammelt in Bergneustadt Materialien und Dokumente zum Thema. Das Forschungsinstitut bekommt zudem den Auftrag, rechtsextreme Einstellungen in der Bevölkerung zu untersuchen.

1967/68

Während der Studierenden-Proteste sucht die Stiftung den Austausch mit ihren Stipendiat:innen.

Studierendenproteste:
Die Stiftung sucht den Austausch

Sie nimmt die Forderungen der Studierenden, den Universitätszugang zu erleichtern und die Arbeitsmöglichkeiten für Akademiker:innen zu verbessern, ernst. Ein Forschungsprojekt untersucht zudem, inwieweit „Reformpläne und Reformvorschläge“ an den in dieser Zeit neu gegründeten deutschen Universitäten, etwa in Konstanz oder Bielefeld, tatsächlich umgesetzt wurden. Für ihre Heimvolkshochschulen entwickelt die Friedrich-Ebert-Stiftung angesichts der Proteste neue Bildungsangebote: Der Kurs „Konflikte in der demokratischen Gesellschaft“ richtet sich vor allem an Polizeikräfte und ist gut besucht. Das Interesse an dem Seminar „Kritik, Protest und Engagement der Jugend“, in dem es um „Ideologie und Aktivität der APO […] vor dem Gesamtbild der Jugend in der Gesellschaft“ geht, ist sogar so groß, dass die Friedrich-Ebert-Stiftung überlegt, dafür andere Kurse einzustellen.

1968

Die Friedrich-Ebert-Stiftung übernimmt das Geburtshaus von Karl Marx in Trier.

Eine Dokumentations- und Informationsstelle

Das Geburtshaus von Karl Marx in Trier gehörte seit 1928 der SPD, die dort auch ein kleines Museum eingerichtet hatte. Es entsteht „eine ständige Ausstellung sowie eine Dokumentations- und Informationsstelle zur Marx-Forschung“. Die neue Präsentation soll einerseits der internationalen Bedeutung von Marx Rechnung tragen, andererseits möglichst wenig politisch aufgeladen sein. In der Umsetzung stellt die Stiftung frühe Schriften und die Biografie von Karl Marx in den Mittelpunkt. Bei der Neukonzeption des Hauses mit einer eigenen Bibliothek und Forschungsstelle geht es auch darum zu verhindern, dass Karl Marx ganz von der DDR und der SED vereinnahmt würde. Die Eröffnung des Hauses am 4. Mai 1968 durch Willy Brandt findet in einer politisch aufgeheizten Atmosphäre statt. Wenige Wochen zuvor ist auf die Ikone der Studierendenbewegung Rudi Dutschke ein Attentat verübt worden. Vor dem Museum protestieren hunderte Menschen, die meisten von ihnen Studierende. Ein großes Polizeiaufgebot schützt die Veranstaltung. Die Debatten rund um Marx und der Streit, wem Marx „gehörte“, verstärken das Interesse an seinem Geburtshaus. In den ersten sechs Monaten nach der Eröffnung sehen mehr als 10.000 Menschen die neue Ausstellung.

1969–1988

Demokratiebildung in Zeiten
des Ost-West-Konflikts

Diskussion zwischen den ehemaligen DGB-Vorsitzenden Ludwig Rosenberg (r.) und Willi Richter (l.) auf einer internationalen entwicklungspolitischen Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn, im Hintergrund der Kuratoriumsvorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung und Vorstandsvorsitzende der Bank für Gemeinwirtschaft Walter Hesselbach (l.) sowie Günter Grunwald, 18.6.1970
Diskussion zwischen den ehemaligen DGB-Vorsitzenden Ludwig Rosenberg (r.) und Willi Richter (l.) auf einer internationalen entwicklungspolitischen Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn, im Hintergrund der Kuratoriumsvorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung und Vorstandsvorsitzende der Bank für Gemeinwirtschaft Walter Hesselbach (l.) sowie Günter Grunwald, 18.6.1970

1969

Die Friedrich-Ebert-Stiftung eröffnet das Archiv der sozialen Demokratie in Bonn-Bad Godesberg – bis heute befindet sich dort die Stiftungszentrale.

Das Archiv der sozialen Demokratie

Der helle Atriumbau in der Kölner Straße 149 (heute Godesberger Allee) beherbergt Räumlichkeiten für das Archiv und die Bibliothek, einen Leseraum für Benutzer:innen, einen großen Konferenzsaal sowie über 100 Büros und Besprechungszimmer. Nachdem die rund 120 in Bonn beschäftigten Stiftungsmitarbeitenden zuvor auf zehn Standorte verteilt gewesen waren, arbeiten sie nun erstmals unter einem Dach. Außerdem kann die Friedrich-Ebert-Stiftung jetzt Tagungen und die jährliche Kuratoriumssitzung im eigenen Haus abhalten

Willy Brandt bei
          der Grundsteinlegung
         des Archivs
          der sozialen Demokratie,
         12.12.1967

Willy Brandt bei der Grundsteinlegung des Archivs der sozialen Demokratie,12.12.1967

1969

Willy Brandt wird erster sozialdemokratischer Bundeskanzler der Bundesrepublik. Im Zuge der „Neuen Ostpolitik“ baut die Friedrich-Ebert-Stiftung neue Kontakte nach Osteuropa auf und ermöglicht gegenseitige Besuche von Medienvertreter:innen und Wissenschaftler:innen.

Neue Kontakte nach Osteuropa

Neben je zwei Delegationen aus Ungarn und Polen reisen erstmals auch Medienvertreter:innen aus der Sowjetunion nach Westdeutschland. Der Ablauf der Reisen ähnelt sich: Die osteuropäischen Gäste besuchen Industrieunternehmen, tauschen sich mit westdeutschen Kolleg:innen aus und treffen Politiker:innen, mit denen sie vor allem über aktuelle Fragen der Deutschland- und Ostpolitik sprechen. Neben Reisen osteuropäischer Journalist:innen in die Bundesrepublik organisiert die Stiftung auch Gegenbesuche. So reisen 1973 bundesdeutsche Medienvertreter:innen nach Ungarn, Polen und in die Sowjetunion. Besuche deutscher und polnischer Journalist:innen sind ab Anfang der 1970er-Jahre fester Bestandteil des Austauschprogramms für Medienvertreter:innen, und auch im wissenschaftlichen Bereich knüpft die Stiftung Kontakte. Es finden regelmäßig gemeinsame Konferenzen statt, die sich unter anderem mit den Perspektiven der deutsch-polnischen Beziehungen befassen. Vor diesem Hintergrund fördert die Bundesregierung die Aktivitäten der Stiftung in Polen und finanziert einzelne Projekte.

Willy Brandt am Fenster des Hotels Erfurter Hof
                    anlässlich
                    des Besuchs in der DDR zum innerdeutschen
                    Gipfelgespräch in Erfurt, 19.3.1970

Willy Brandt am Fenster des Hotels Erfurter Hof beim Besuch in der DDR, 19.3.1970

1970

Die Sowjetunion und die Bundesrepublik unterzeichnen den Moskauer Vertrag; Abkommen mit weiteren osteuropäischen Staaten und der DDR folgen.

Bundestagswahlkampf 1972 in Lübeck, 18.11.1972

Bundestagswahlkampf 1972 in Lübeck, 18.11.1972

1971

Auf Initiative der Stipendiat:innen ruft die Friedrich-Ebert-Stiftung den Solidaritätsfonds für geflüchtete Studierende und Wissenschaftler:innen ins Leben.

Solidaritätsfonds für geflüchtete Studierende und Wissenschaftler:innen

Der in erster Linie von Spenden aktueller und ehemaliger Geförderter getragene Fonds ermöglicht Geflüchteten eine wissenschaftliche Ausbildung in Deutschland. Bereits im ersten Jahr des Bestehens unterstützen mehr als die Hälfte der Stipendiat:innen den Fonds; vier Jahre später spenden fast alle ein Prozent ihres Stipendiums – ein beeindruckendes Signal der Solidarität. Im Laufe der Zeit steigen die jährlichen Einnahmen stetig an, von rund 42.000 D-Mark im Jahr der Gründung auf aktuell etwa 400.000 Euro. Bis heute unterstützte der Solidaritätsfonds mehr als 1.200 Studierende und Promovierende, die in ihren Herkunftsländern aus rassistischen, politischen oder religiösen Gründen, wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung verfolgt wurden

1973

Mit Unterstützung der Stiftung gründen portugiesische Sozialdemokrat:innen in Bad Münstereifel die Sozialistische Partei Portugals.

Unterstützung für Portugals Opposition

Als Mário Soares die Gruppe 1964 ins Leben rief, um die autoritäre Diktatur von António de Oliveira Salazar zu bekämpfen, erhielten er und seine Mitstreiter:innen von den sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien Europas zwar viel Zuspruch, aber kaum Hilfe. Umso wichtiger ist die Unterstützung durch die Friedrich-Ebert-Stiftung, die unter anderem die sozialistische Zeitung República finanziert, ein Sprachrohr der demokratischen Opposition in Portugal. Daneben rückt die Stiftung die ASP in den Blickpunkt der Medien, indem sie ihren charismatischen Anführer Mário Soares zu Vorträgen einlädt und ihm Kontakte zu deutschen Journalist:innen vermittelt. Auch wenn der Partido Socialista wegen Repressionen die Wahl im Herbs boykottiert, profiliert sich die Partei mit Unterstützung der Friedrich-Ebert-Stiftung als führende Kraft der portugiesischen Opposition. Auf Initiative der Stiftung lädt die SPD Mário Soares im Frühjahr 1974 nach Bonn ein, wo er auch Bundeskanzler Willy Brandt treffen sollte. Doch dazu kommt es nicht, denn am 25. April 1974 stürzte die Nelkenrevolution das Regime von Marcelo Caetano und Mário Soares reist nach Lissabon. Nach dem Staatsstreich wird der PS zur wichtigen Volkspartei in Portugal und spielt bei der Transformation zu einem demokratischen System eine zentrale Rolle.

1975

Neben anderen Tagungsstätten der politischen Bildung wird ein eigenes Seminarhaus für Stipendiat:innen auf dem Venusberg in Bonn eröffnet.

Ein neues Seminarhaus

Zusätzlich zur finanziellen Unterstützung bietet die Stiftung ihren Stipendiat:innen im Sinne einer ideellen Förderung verstärkt Weiterbildungsmöglichkeiten. So finden im Jahr 1972 bereits 13 mehrtägige Kurse ausschließlich für Stipendiat:innen statt, unter anderem zum Bildungssystem in den beiden deutschen Staaten und zur Situation migrantischer Arbeitnehmer:innen und Studierender in Deutschland. Ab Mitte der 1970er-Jahre werden die Stipendiat:innen in das Seminarprogramm eingebunden und führen eigene Seminare durch. Diese finden zum Teil auch im neu erworbenen Gästehaus der Stiftung in Bonn-Venusberg statt.

Übergabe der „Willy-Brandt-Stipendien“ in Mexiko mit dem Arbeitsminister Mexikos Porfirio Muñoz Ledo und dem Repräsentanten der Friedrich-Ebert-Stiftung in Mexiko Dieter Koniecki, 2.11.1974

Übergabe der „Willy-Brandt-Stipendien“ in Mexiko mit dem Arbeitsminister Mexikos Porfirio Muñoz Ledo und dem Repräsentanten der Friedrich-Ebert-Stiftung in Mexiko Dieter Koniecki, 2.11.1974

1978

Stiftungsvertreter:innen besuchen China und legen den Grundstein für gemeinsame Medienprojekte sowie ein spezielles Stipendienprogramm.

Zusammenarbeit mit China: Medienprojekte und Stipendien

Für die Arbeit in China gibt es keinen Masterplan und keine festen Erwartungen; stattdessen nutzt die Stiftung die sich nach und nach eröffnenden Möglichkeiten. Herzstück ist zunächst die Förderung von chinesischen Studierenden und Wissenschaftler:innen. Auf Wunsch der chinesischen Regierung ermöglicht die Stiftung Chines:innen einen Studienaufenthalt in der Bundesrepublik. Nach und nach erweitert die Stiftung das Stipendienprogramm, von 40 Geförderten im Jahr 1981 auf 84 im Jahr 1984. 1980 erweitert die Stiftung ihre Aktivitäten um Medienprojekte und vermittelt erstmals Hospitanzen für chinesische Journalist:innen bei westdeutschen Fernsehsendern. In der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre baut die Stiftung die Zusammenarbeit im Medienbereich weiter aus, unter anderem mit einem Symposium zur Schaffung eines chinesischen Rundfunkgesetzes, an dem führende deutsche Medienvertreter:innen teilnehmen.

Eröffnung der Heimvolkshochschule der Friedrich-Ebert-Stiftung in Jakarta mit dem Präsidenten Indonesiens Mohamed Suharto und dem Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens und stellvertretenden Vorsitzenden der Friedrich-Ebert-Stiftung Heinz Kühn, 1978

Eröffnung der Heimvolkshochschule der Friedrich-Ebert-Stiftung in Jakarta mit dem Präsidenten Indonesiens Mohamed Suharto und dem Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens und stellvertretenden Vorsitzenden der Friedrich-Ebert-Stiftung Heinz Kühn, 1978

1982

Die Stiftung vergibt erstmals den Literaturpreis „Das politische Buch“.

„Das politische Buch“

Mit dem Literaturpreis „Das politische Buch“ will die Friedrich-Ebert-Stiftung Publikationen würdigen, die sich kritisch mit aktuellen gesellschaftspolitischen Fragestellungen auseinandersetzen, richtungsweisende Denkanstöße geben und diese Inhalte einem breiten Publikum zugänglich machen. Der gegenwärtig mit 10.000 Euro dotierte Preis wird von der Arbeitsgemeinschaft der Verleger, Buchhändler und Bibliothekare in der Friedrich-Ebert-Stiftung ausgelobt. Eine unabhängige Jury entscheidet über die Vergabe des ausgezeichneten Werks – in den ersten beiden Jahrzehnten waren es auch zwei oder drei Bücher. Mit der Bekanntgabe veröffentlicht die Stiftung eine Liste weiterer empfehlenswerter politischer Bücher.

1984

Die Friedrich-Ebert-Stiftung ruft den Kocheler Kreis ins Leben, in dem sich Wirtschaftswissenschaftler:innen, leitende Beamt:innen und Politiker:innen regelmäßig zu wirtschaftspolitischen Fragen austauschen.

Austausch zu wirtschaftspolitischen Fragen

Nach dem Vorbild des 1982 ins Leben gerufenen wirtschaftsliberalen Kronberger Kreises beschließen die Teilnehmenden, künftig regelmäßig zusammenzukommen. Seitdem trifft sich der Kocheler Kreis etwa einmal im Jahr. Betreut vom Forschungsinstitut der Stiftung wirkt der Gesprächskreis in der Anfangszeit vor allem im Hintergrund und berät Stiftung und Partei zu wirtschaftspolitischen Fragen. Die wichtigsten auf den Treffen gehaltenen Vorträge werden publiziert, unter anderem zur Beschäftigungspolitik, um auf die in den 1980er-Jahren stark gestiegene Arbeitslosigkeit zu reagieren. Nach der Friedlichen Revolution 1989/90 nimmt der Gesprächskreis die Herausforderungen der deutschen Vereinigung in den Blick und untersucht unter anderem den Transformationsprozess in den neuen Bundesländern sowie Ansätze zur Neuordnung des Finanzausgleichs. Im Zuge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise melden sich die Expert:innen des Gesprächskreises zunehmend auch öffentlich zu Wort, analysieren in Stellungnahmen die Ursachen der Krise und zeigen Lösungsvorschläge auf. Daneben befasst sich der Kocheler Kreis mit grundsätzlichen sozialen Fragen, die durch die Krise an Aktualität gewonnen hatten, wie zum Beispiel eine gerechtere Verteilung des Wohlstands.

Selbstdarstellung des Kocheler Kreises in der ersten Publikation, 1982 („Löhne, Arbeitsbedingungen und Beschäftigung“)

Selbstdarstellung des Kocheler Kreises in der ersten Publikation, 1982 („Löhne, Arbeitsbedingungen und Beschäftigung“)

1984

Im Rahmen ihrer Bildungsveranstaltungen bietet die Stiftung Exkursionen in die DDR an.

Exkursionen in die DDR

Die Exkursionen sind sowohl für Stipendiat:innen und Dozent:innen gedacht und gleichzeitig auch Bestandteil der Seminare zu deutsch-deutschen Fragen. So reisen im April 1985 23 Teilnehmende im Rahmen eines einwöchigen Kurses zur DDR für einen Tag nach Schwerin. Auf dem Programm stehen ausschließlich touristische Aktivitäten wie die Besichtigung des Schlosses und der Altstadt; ein direkter Austausch mit DDR-Bürger:innen ist nicht vorgesehen. Dennoch ordnet die Stasi „Sicherungs- und Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen“ an und lässt die bundesdeutschen Besucher:innen auf Schritt und Tritt beobachten. Im Laufe der Zeit kann die Stiftung die Exkursionen ausbauen und auch mehrtägige Besuche in die DDR anbieten, bei denen die Teilnehmenden verschiedene Städte besichtigten. Ab 1986 finden außerdem Gespräche mit ausgewählten ostdeutschen Bürger:innen statt. Auch wenn nicht alle Kurse einen Aufenthalt in der DDR umfassen, stoßen die Seminare auf überwältigendes Interesse: 1986 nehmen rund 13.000 westdeutsche Bürger:innen an den Kursen der Friedrich-Ebert-Stiftung zu Ostdeutschland und den deutsch-deutschen Beziehungen teil.

Erweiterungsbau der Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn: Baustelle und Teile des Rohbaus, 12.10.1984

Erweiterungsbau der Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn: Baustelle und Teile des Rohbaus, 12.10.1984

1985

Der neue Generalsekretär des Zentralkomitees der sowjetischen Kommunistischen Partei Michail Gorbatschow leitet Reformen ein.

Reformprozess in der Sowjetunion

Dadurch läuft Mitte der 1980er-Jahre ein deutsch-sowjetischer Arbeitnehmer:innendialog an, in dessen Rahmen sich die Teilnehmenden einmal im Jahr unter anderem zu Umweltfragen austauschen. Auf Konferenzen und in gemeinsamen Seminaren diskutieren Wissenschaftler:innen aus beiden Staaten mehrfach die Reformpolitik von Michail Gorbatschow.

Honecker im Karl-Marx-Haus in Trier. Hier im Gespräch mit dem Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz Bernhard

Besuch von Erich Honecker im Karl-Marx-Haus in Trier. Hier im Gespräch mit dem Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz Bernhard Vogel, dem Vorsitzenden der Friedrich-Ebert-Stiftung Holger Börner und dem Leiter des Karl-Marx-Hauses Hans Pelger, 10.9.1987

1988

Die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Sowjetunion vereinbaren die Errichtung einer Stiftungsvertretung. Das Büro Moskau wird im April 1989 eröffnet.

Stiftungsvertretung in Moskau

Bei den Verhandlungen über die Ausstattung der Repräsentanz machen die sowjetischen Gesprächspartner:innen nicht nur deutlich, wie viel ihnen an dem Büro gelegen ist, sondern geben auch zu, dass sie der nicht zu Reformen bereiten DDR-Regierung zunehmend kritisch gegenüberstehen.

1989–2007

Stiftungsarbeit in einer
globalisierten Welt

Links: Diskussion zwischen dem ehemaligen
DGB-Vorsitzenden Ludwig Rosenberg (r.) und
dem DGB-Vorsitzenden Willi Richter (l.) auf einer
internationalen entwicklungspolitischen Tagung
der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn, im Hintergrund
der Kuratoriumsvorsitzende der Friedrich-
Ebert-Stiftung und Vorstandsvorsitzende der
Bank für Gemeinwirtschaft Walter Hesselbach (l.)
sowie Günter Grunwald, 18.6.1970, Rechte: J. H. Darchinger/FES; AdsD, 6/FOTA140003
Die Mauer fällt. Das Brandenburger Tor am 9.11.1989

1989

Die Öffnung der Berliner Mauer leitet das Ende der DDR und die deutsche Wiedervereinigung ein

Deutsche Wiedervereinigung: Viel Hilfbereitschaft

Die Bedingungen für die Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung verändern sich grundlegend. Nachdem sie bisher in der DDR nicht vertreten war, eröffnet sich für sie jetzt die Möglichkeit, den Übergang zur Demokratie in Ostdeutschland zu begleiten und zu unterstützen. Sie nimmt rasch Verbindung zur Bürgerrechtsbewegung und zur SDP auf, der im Oktober 1989 gegründeten Sozialdemokratischen Partei der DDR. Angesiedelt beim Vorstand in Bonn bündelt die neue „Arbeitsgruppe DDR“ die vielfältigen deutschlandpolitischen Projekte aller Abteilungen des Hauses. Viele Gespräche finden im West-Berliner Stiftungsbüro statt, das in diesen Monaten zum Ort des Austauschs zwischen Ost und West wird. So erfährt die Stiftung, was die demokratischen Reformgruppen benötigten, um die Arbeit aufzunehmen. In der Zentrale in Bonn gibt es große Hilfsbereitschaft: Stiftungsmitarbeitende fahren Kopierer, Drucker, Telefone oder Faxgeräte in Kleintransportern von Bonn aus zu den vielen Empfängern in der DDR. Außerdem stellt die Stiftung demokratischen Initiativen Literatur und Zeitungsabonnements zur Verfügung.

Der neue Leiter des Büros der FES Hans Schumacher (l.) begrüßt den SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel (r.) in Moskau zur Eröffnung, April 1989. Im Hintergrund Karsten D. Voigt (Mitglied des SPD-Parteivorstands, l.) und Dietrich Stobbe (MdB, SPD, r.)

Der neue Leiter des Büros der FES Hans Schumacher (l.) begrüßt den SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel (r.) in Moskau zur Eröffnung, April 1989. Im Hintergrund Karsten D. Voigt (Mitglied des SPD-Parteivorstands, l.) und Dietrich Stobbe (MdB, SPD, r.)

1990

Die Friedrich-Ebert-Stiftung richtet ein Büro in Leipzig ein. Weitere Standorte in Ostdeutschland folgen. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die kommunalpolitische Bildung.

Kommunalpolitische Bildung

Dass das erste Bildungszentrum in Ostdeutschland gerade dort angesiedelt wird, ging auf einen Vorschlag von Willy Brandt zurück. „Du hast uns […] aufgefordert, möglichst rasch in Leipzig eine Niederlassung der Stiftung zu gründen, um […] für die demokratische Erneuerung dieses Teils Deutschlands zu wirken“, so der Stiftungsvorsitzende Holger Börner in einer Ansprache gegenüber Willy Brandt. Leipzig ist nicht nur Gründungsort sowie historische Hochburg der Arbeiter:innenbewegung und Ausgangspunkt der Montags-Demonstrationen. Die Stadt hat auch das Potenzial, sich wieder zu einem bedeutenden Handels-, Medien- und Wissenschaftszentrum zu entwickeln. Anfang 1990 mietet die Friedrich-Ebert-Stiftung daher Räume im „Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft“ an, es liegt unmittelbar gegenüber der ehemaligen Leipziger Stasi-Zentrale, der „Runden Ecke“. Von hier aus bauen die Mitarbeitenden zunächst Angebote für politische Beratung, Austausch- und Dialogformate auf.

ab 1990

Um den demokratischen Aufbau in Mittel- und Osteuropa zu unterstützen, entstehen dort neue Stiftungsvertretungen.

Neue Stitungsvertretungen

In die dortigen Länder bestehen zahlreiche persönliche Kontakte, nachdem die Stiftung zum Teil bereits seit den 1960er-Jahren Austauschprogramme insbesondere mit Wissenschaftler:innen und Medienschaffenden organisiert hat. In Moskau ist die Friedrich-Ebert-Stiftung seit April 1989 mit einem eigenen Büro vertreten, im Zuge der politischen Umwälzungen richtet sie nun rasch weitere Repräsentanzen ein: die Büros in Warschau, Budapest und Prag nehmen ihre Arbeit auf, 1993 folgen Kyjiw, Bratislava und Riga. Wie in Ostdeutschland legt die Stiftung auch in Osteuropa einen Schwerpunkt auf die Kommunalpolitik. Außerdem fördert die Stiftung überall in der Region den Aufbau freier Gewerkschaften.

Der stellvertretende Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung Ernst Breit (l.), begrüßt Nelson Mandela (r.) in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn,11.6.1990

Der stellvertretende Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung Ernst Breit (l.), begrüßt Nelson Mandela (r.) in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn,11.6.1990

1991

Die Friedrich-Ebert-Stiftung gründet den Managerkreis als ein Forum für den Meinungsaustausch zwischen Wirtschaft und Politik.

Wirtschaftspolitischer Blick über die Tagespolitik hinaus

Der Managerkreis versteht sich als zukunftsorientierter wirtschaftspolitischer Thinktank, der den Blick über die Tagespolitik hin ausweitet. Seine Mitglieder sind Führungskräfte aus Unternehmen und Verbänden, die der Sozialen Demokratie nahestehen. Sie teilen die Überzeugung, dass ein aus der praktischen Erfahrung im Management der Wirtschaft gewonnenes Aufgaben- und Handlungsverständnis bei den meisten politischen Aufgaben hilfreich sein kann, und setzen sich für eine gerechte und wirtschaftlich erfolgreiche soziale Marktwirtschaft ein.

1994

Die Friedrich-Ebert-Stiftung vergibt erstmals den Menschenrechtspreis.

Schutz von Menschenrechten, Menschenwürde und Frieden

Der erste Menschenrechtskreis geht an den Marie-Schlei-Verein, eine Partnerschaftsinitiative zwischen deutschen Frauen und Frauen aus Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika. Gestiftet wird der Preis von dem Hamburger Ehepaar Karl und Ida Feist, das viele Jahre in der Arbeiter:innenbewegung aktiv war. Aufgrund der eigenen Erfahrungen mit Krieg und Gewalt vermachen sie ihr Erbe der Stiftung und verfügen testamentarisch, dass aus den Erträgen ein Menschenrechtspreis vergeben werden soll. Seitdem verleiht die Friedrich-Ebert-Stiftung den Menschenrechtspreis an Personen, Gruppen oder Organisationen, die sich für den Schutz von Menschenrechten, Menschenwürde und Frieden einsetzen. Er ist mit 20.000 Euro dotiert. Die Vorschläge für mögliche Preisträger:innen kommen aus der internationalen Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Vergabe erfolgt durch eine Jury ebenfalls in enger Absprache mit den Referaten der Stiftung und den Stiftungsbüros im Ausland.

Anlässlich der Vertragsunterzeichnung zwischen Deutschem Gewerkschaftsbund und Friedrich-Ebert-Stiftung am 26.1.1994 betrachteten (v. l. n. r.) Ulrich Cartarius (stellv. Leiter des AdsD), Dieter Schulte (DGB-Vorsitzender), Jürgen Burckhardt (Geschäftsführer der FES) und Holger Börner (Vorsitzender der FES) eine Fahne pfälzischer Abgeordneter aus der Paulskirche von 1848/49.

Anlässlich der Vertragsunterzeichnung zwischen Deutschem Gewerkschaftsbund
        und Friedrich-Ebert-Stiftung am 26.1.1994 betrachteten (v. l. n. r.) Ulrich
        Cartarius (stellv. Leiter des AdsD), Dieter Schulte (DGB-Vorsitzender), Jürgen
        Burckhardt (Geschäftsführer der FES) und Holger Börner (Vorsitzender der
        FES) eine Fahne pfälzischer Abgeordneter aus der Paulskirche von 1848/49.

1995

Das Archiv der sozialen Demokratie übernimmt Archiv und Bibliothek des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).

Übernahme von DGB-Archiv und -Bibliothek

Die Bestände werden zu abgeschlossenen Einheiten innerhalb von Archiv und Bibliothek der Stiftung und bleiben im Eigentum des DGB. Ein Beirat, dem der geschäftsführende DGB-Bundesvorstand, Wissenschaftler:innen und Vertreter:innen der Stiftung angehören, beaufsichtigt anfangs die fachgemäße Einarbeitung der Unterlagen. Dass der DGB seine wertvollen Bestände nach Bonn abgibt, liegt neben dem Profil des Archivs der sozialen Demokratie und der Bibliothek an der professionellen Arbeit, die in der Stiftung geleistet wird. Aber auch logistische und finanzielle Gründe spielen eine Rolle, da der DGB den Umzug von Düsseldorf nach Berlin vorbereitet. Das DGB-Archiv besteht in erster Linie aus dem „Hausarchiv“ der Bundesvorstandsverwaltung, hinzu kommen die Überlieferungen aus Landesbezirken, Unterlagen der Vorläuferorganisationen sowie knapp 80 Nachlässe von Gewerkschafter:innen. Insgesamt handelt es sich um rund 25.000 Akteneinheiten, 30.000 Fotos sowie unzählige Diaserien, Plakate, Tonbänder und Objekte. Mit dem DGB-Archiv kommen auch die einzigen Originalquellen zur Gründung der Stiftung ins Archiv der sozialen Demokratie – Spendenaufrufe, die in den Gewerkschaftsunterlagen aus der Weimarer Republik erhalten geblieben sind.

1996

Nach dem Friedensabkommen von Dayton öffnet die Stiftung Büros auf dem Balkan und fördert die Verständigung in der Region.

Büros auf dem Balkan fördern Verständigung

Da offizielle diplomatische Kontakte angesichts der komplizierten Lage nur begrenzt möglich sind, ist die Präsenz der Stiftung politisch erwünscht, ermöglicht sie doch eine niedrigschwellige Kommunikation. Innerhalb weniger Monate eröffnet sie daher Büros im kroatischen Zagreb, im bosnischen Sarajewo, im serbischen Belgrad, im mazedonischen Skopje und in der albanischen Hauptstadt Tirana, die mit deutschsprachigen Ortskräften besetzt werden. Schon im ersten Jahr führen die neuen Standorte mehr als 100 Projekte durch. Bei Treffen der „Konferenz der Jugend für Frieden und Zusammenarbeit“ kommen etwa junge Menschen aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens zusammen.

1998

Die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder nimmt ihre Arbeit auf.

„stärkste politische Kraft in
Deutschland und Europa“

Dass die SPD wieder Regierungspartei ist, stärkt die Stiftung. „Die Sozialdemokratie“ sei „die stärkste politische Kraft in Deutschland und Europa“, freut sich Holger Börner auf der Mitgliederversammlung. Doch auch als „Regierungsstiftung“ mit guten Kontakten zu den Abgeordneten und in die SPD-geführten Ministerien achtet die Stiftung darauf, eine „Plattform zu bieten, die allen die Möglichkeit gibt, bestimmte Themen zu bearbeiten

1999

In Berlin wird eine zweite Stiftungszentrale eingeweiht.

Die Stiftungszentrale in Berlin

Die zweite Stiftungszentrale in Berlin ist ein repräsentatives Gebäude aus schwarzem Klinkerziegel, Edelstahl und Glas mit einer gläsernen Eingangsrotunde. Den Mittelpunkt des Hauses bildet ein großer runder Konferenzsaal, der sich zu einem Außenforum öffnet. Daneben gibt es Platz für Tagungen und Ausstellungen und kleinere Seminar- und Begegnungsräume.

2001

Nach den Anschlägen vom 11. September nimmt die Stiftung den internationalen Terrorismus in den Blick und intensiviert den Dialog mit islamischen Staaten.

Zwischen Sicherheit und Freiheit

In einer Reihe von Arbeitspapieren analysiert die Friedrich-Ebert-Stiftung die Hintergründe und die anstehenden politischen Entscheidungen zwischen Sicherheit und Freiheit. Angesichts der terroristischen Bedrohung setzt die Friedrich-Ebert-Stiftung auf kritischen Dialog mit den verschiedenen Richtungen des Islam und auf die Verständigung zwischen Religionen, Weltanschauungen und Kulturen.

Internet Archive Bildschirm aus dem Jahr 1999

Quelle: Internet Archive/Rechte [Bildschirm]: istock/naumoid

2001

Mit der OnlineAkademie startet das erste Bildungsangebot der Stiftung im Internet.

Bildungsangebote im Internet

Die ersten digitalen Inhalte zum Selbststudium sind zum Beispiel „Argumente gegen Rechtsextremismus“ sowie Materialien zu den Themen „Geschichte – Erinnerung – Demokratie“ und „Internet und Bildung“. Die OnlineAkademie ist Teil der neuen FES Medienakademie, zu der außerdem die Akademie für Medienkompetenz, das Austauschformat Medienpolitischer Diskurs und die Journalisten Akademie gehören.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung kooperierte in globalen Zusammenhängen zunehmend mit zivilgesellschaftlichen und wissenschaftlichen Einrichtungen.Hier die afghanische Delegation auf dem Afghan Civil Society Forum – Swiss Peace für die Konferenz „
Civil Society Participation in Afghan Peace Building and Reconstruction“ in Berlin, 29. bis 30.3.2004, beim Besuch des Plenarsaals des Deutschen Bundestags

Die Friedrich-Ebert-Stiftung kooperierte in globalen Zusammenhängen zunehmend mit zivilgesellschaftlichen und wissenschaftlichen Einrichtungen. Hier die afghanische Delegation auf dem Afghan Civil Society Forum – Swiss Peace für die Konferenz „Civil Society Participation in Afghan Peace Building and Reconstruction“ in Berlin, 29. bis 30.3.2004, beim Besuch des Plenarsaals des Deutschen Bundestags.

2002

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes eröffnet die Friedrich-Ebert-Stiftung ein Büro in der afghanischen Hauptstadt Kabul.

Stabilisierung und Demokratisierung

Die Stiftung möchte vor Ort zur politischen Stabilisierung und Demokratisierung des Landes beitragen. Mit der Hilfe einheimischer Partner:innen unterstützt sie in den kommenden Jahren den Aufbau demokratischer Institutionen sowie freier Medien und schult junge Führungskräfte im Staatsdienst, bei Nichtregierungsorganisationen und der UN. Immer wieder müssen die Mitarbeitenden dabei auch Rückschläge hinnehmen, insbesondere als sich die Sicherheitslage auch in Kabul durch Selbstmordanschläge verschlechtert.

2006

Die erste „Mitte-Studie“ zu rechtsextremen Einstellungen in Deutschland erscheint.

Die erste „Mitte-Studie“

Nach Gesprächen mit verschiedenen Universitäten entscheidet sich die Stiftung für die Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig. Die dortige Forschungsgruppe um Elmar Brähler und Oliver Decker untersuchen bereits die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen und haben dafür einen Fragebogen entwickelt, der sechs Felder umfasst: Befürwortung einer rechtsgerichteten Diktatur, Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus. Die Fragen beziehen auch sozialpsychologische Erklärungsvariablen, wie persönliche Erfahrungen und Einstellungen zur Autorität mit ein. Das Ergebnis: Rechtsextreme Einstellungen, insbesondere Ausländerfeindlichkeit und Chauvinismus, sind in großen Teilen der deutschen Bevölkerung verbreitet. Auch weil die Ergebnisse der sogenannten Mitte-Studie noch lange nach Veröffentlichung weithin wahrgenommen und diskutiert werden, entscheidet die Stiftung, das wissenschaftliche Projekt weiterzuführen. Mit den „Mitte-Studien“ begründet die Stiftung eine Untersuchungsreihe, die es ermöglicht, über die Jahre und Jahrzehnte hinweg nachzuzeichnen, wie sich rechtsextreme Einstellungen in der deutschen Mehrheitsgesellschaft entwickeln, auch vor dem Hintergrund der politischen und wirtschaftlichen Lage.

Titelbild der Mitte-Studie aus dem Jahr 2022/23

2007

Die Plattform fes-kommcheckers geht online, ein digitales Lernangebot für Kommunalpolitiker:innen.

Digitale Angebote für Kommunalpolitiker:innen

Die Idee dahinter: Gerade für ehrenamtliche Kommunalpolitiker:innen ist es oft einfacher, sich online und damit zeitlich flexibel fortzubilden, als an Präsenzkursen teilzunehmen. Daher baut die Stiftung die fes-kommcheckers bis 2009 auf 20 Themenbereiche aus. Wenig später kann die Plattform auch auf Smartphones abgerufen werden, die sich seit dem ersten iPhone 2007 schnell verbreiten.

2008–2024

Politische Bildung zwischen Finanzkrise,
Digitalisierung und Populismus

Links: Diskussion zwischen dem ehemaligen
DGB-Vorsitzenden Ludwig Rosenberg (r.) und
dem DGB-Vorsitzenden Willi Richter (l.) auf einer
internationalen entwicklungspolitischen Tagung
der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn, im Hintergrund
der Kuratoriumsvorsitzende der Friedrich-
Ebert-Stiftung und Vorstandsvorsitzende der
Bank für Gemeinwirtschaft Walter Hesselbach (l.)
sowie Günter Grunwald, 18.6.1970, Rechte: J. H. Darchinger/FES; AdsD, 6/FOTA140003
Die Erbschaftssteueruhr tourte durch ganz Deutschland, unter dem Titel „Erben verpflichtet!“ hier 2022 in Berlin.

2008

Angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise sucht die Friedrich-Ebert-Stiftung in Studien und mit Fachforen nach Lösungsansätzen.

Stiftungsarbeit in der Finanz- und Wirtschaftskrise

Die Exkursionen sind sowohl für Stipendiat:innen und Dozent:innen als auch als Bestandteil der Seminare zu deutsch-deutschen Fragen. So reisen im April 1985 23 Teilnehmende eines einwöchigen Kurses zur DDR für einen Tag nach Schwerin. Auf dem Programm stehen ausschließlich touristische Aktivitäten wie die Besichtigung des Schlosses und der Altstadt; ein direkter Austausch mit DDR-Bürger:innen ist nicht vorgesehen. Dennoch ordnet die Stasi „Sicherungs- und Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen“ an und lässt die bundesdeutschen Besucher:innen auf Schritt und Tritt beobachten. Im Laufe der Zeit kann die Stiftung die Exkursionen ausbauen und auch mehrtägige Besuche in der DDR anbieten, bei denen die Teilnehmenden verschiedene Städte besichtigten. Ab 1986 finden außerdem Gespräche mit ausgewählten ostdeutschen Bürger:innen statt. Auch wenn nicht alle Kurse einen Aufenthalt in der DDR umfassen, stoßen die Seminare auf überwältigendes Interesse: 1986 nehmen rund 13.000 westdeutsche Bürger:innen an den Kursen der Friedrich-Ebert-Stiftung zu Ostdeutschland und den deutsch-deutschen Beziehungen teil.

Ein von der FES New York und der Initiative for Policy Dialogue der Columbia-Universität organisiertes wirtschafts- und finanzwissenschaftliches Podium mit u. a. dem Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz (l.) wenige Monate nach dem Ausbruch der Finanzkrise im November 2008

Ein von der FES New York und der Initiative for Policy Dialogue der Columbia-Universität organisiertes wirtschafts- und finanzwissenschaftliches Podium mit u. a. dem Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz (l.) wenige Monate nach dem Ausbruch der Finanzkrise im November 2008

2009

Die Zentrale in Berlin wird um einen Neubau erweitert.

Fünf stiftungsweite Leitgedanken

Rund 100 Mitarbeitende der internationalen Abteilungen beziehen das neue Gebäude im Berliner Tiergartenviertel mit großzügigen Konferenz- und Tagungsräumen unweit des ersten Berliner Hauses. Die internationale Arbeit in Deutschland wird dadurch entscheidend gestärkt. Allerdings folgt eine Zeit der Ernüchterung: Weil die SPD bei den Bundestagswahlen im Herbst Stimmen einbüßt, schrumpfen die Mittel der Stiftung und Einsparungen sind nötig. Da das Forschungsinstitut Braunschweig-Bonn, das die Abteilung Sozial- und Zeitgeschichte mitfinanziert hat, nicht mehr besteht, wird die Abteilung ebenfalls aufgelöst und in das Archiv der sozialen Demokratie integriert. Gleichzeitig prägt eine interne Debatte um Qualitätsmanagement die Stiftung. Sie erhält das Qualitätssiegel „Committed to Excellence“ der European Foundation for Quality-Management (EFQM). Im Zuge dessen formuliert sie die Ziele, die sie seit jeher verfolgt, als übergeordnete Strategie neu. Fünf stiftungsweite Leitgedanken strukturieren fortan die Arbeit im In- und Ausland: die Erneuerung der Sozialen Demokratie fördern, politische Teilhabe und gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, die Wirtschafts- und Sozialordnung gerecht gestalten, den Dialog zwischen Gewerkschaften und Politik vertiefen und die Globalisierung sozial gestalten.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung kooperierte in globalen Zusammenhängen zunehmend mit zivilgesellschaftlichen und wissenschaftlichen Einrichtungen.Hier die afghanische Delegation auf dem Afghan Civil Society Forum – Swiss Peace für die Konferenz „
      Civil Society Participation in Afghan Peace Building and Reconstruction“ in Berlin, 29. bis 30.3.2004, beim Besuch des Plenarsaals des Deutschen Bundestags

2009

Die Stiftung etabliert eine Präsenz in den Sozialen Medien.

Position beziehen in den
Sozialen Medien

Um verstärkt auch jüngere Menschen zu erreichen, richtet sie einen eigenen YouTube-Kanal sowie einen Facebook-Account ein, 2010 folgt der Auftritt auf dem Kurznachrichtendienst Twitter (heute X). 2011 startet für diesen Zweck der Bildung durch Interaktion „sagwas“, ein Debattenportal, auf dem Nutzer:innen seitdem die Möglichkeit haben, Position zu politischen und gesellschaftlichen Themen zu beziehen und sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen. Auch in der historischen Bildungsarbeit spielt die zunehmende Digitalisierung von Kommunikation und Bildungsangeboten eine große Rolle. Ausstellungen und Publikationen werden nun zunehmend auch digital präsentiert.

2012

Die erste Tiergartenkonferenz findet statt, eine hochrangige außen- und sicherheitspolitische Tagung in Berlin.

Internationaler Dialog

Die erste Tiergartenkonferenz widmet sich der zunehmenden Verschiebung US-amerikanischer Sicherheitspolitik weg von Europa, hin zum asiatisch-pazifischen Raum. Neben zahlreichen international angesehenen Expert:innen und Politiker:innen sprechen etwa Frank-Walter Steinmeier – zum Zeitpunkt Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion – oder der ehemalige australische Premier und Außenminister Kevin Rudd zu diesem Thema. Ausgerichtet wird die nach dem Tagungsort im Berliner Stiftungshaus benannte „Tiergartenkonferenz“ von den beiden Abteilungen Internationale Entwicklungszusammenarbeit und Internationaler Dialog. Die Konferenz soll fortan einmal jährlich Akzente in der deutschen Debatte über wichtige internationale politische Entwicklungen setzen. Hierzu werden deutsche wie internationale Gäste aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft eingeladen.

Der frisch gewählte Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung Peter Struck auf der Veranstaltung aus Anlass des 80. Geburtstags Johannes Raus in Berlin, 24.1.2011

Der frisch gewählte Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung Peter Struck auf der Veranstaltung aus Anlass des 80. Geburtstags Johannes Raus in Berlin, 24.1.2011

2014

Als eine der ersten internationalen Organisationen eröffnet die Stiftung eine Vertretung in Myanmar.

Unterstützung demokratischer Akteur:innen im Exil

Die Stiftung hat bereits in den 1990er-Jahren Verbindungen zu demokratischen Akteur:innen im Exil aufgenommen und sich in der Tradition von „Wandel durch Annäherung“, so das Selbstverständnis damals, in den frühen 2000er-Jahren auch im Land selbst engagiert. Über einen im malaysischen Kuala Lumpur stationierten Auslandsmitarbeiter hat die Stiftung Kontakte zu zivilgesellschaftlichen Partner:innen in Myanmar aufgebaut. In der Umbruchsphase zahlt sich das Engagement aus: Als erste ausländische Organisation schließt die Stiftung ein Partnerschaftsabkommen mit dem Myanmar Development Research Institute (MDRI), einer Gruppe von Berater:innen des Präsidenten Thein Sein. Um den Reformprozess zu begleiten, veranstaltet die Stiftung im Sommer 2011 in der Hauptstadt Yangon eine Konferenz zur Zukunft von Myanmar, an der neben Außenminister U Wunna Maung Lwin auch Diplomat:innen aus den USA, China und der EU teilnehmen. Weil Indonesien in der Region als Musterbeispiel für eine gelungene Transformation zu einem demokratischen System gilt, vermittelt die Stiftung außerdem Gespräche zwischen burmesischen Präsidentenberater:innen und indonesischen Politiker:innen. Daneben organisiert sie Diskussionsveranstaltungen unter anderem zu sozialer Marktwirtschaft, nachhaltiger Entwicklung und Friedensförderung.

Der Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung Kurt Beck bei Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi (r.), Vorsitzende der National League for Democracy, aus Anlass der Büro-Eröffnung in Myanmar, 27.2.2014

Der Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung Kurt Beck bei Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi (r.), Vorsitzende der National League for Democracy, aus Anlass der Büro-Eröffnung in Myanmar, 27.2.2014

2015

Erste Verleihung des Matthöfer-Preises für Wirtschaftspublizistik, um progressive Vorschläge aus den Wirtschafts- und Finanzwissenschaften auszuzeichnen.

Auszeichnung für
Wirtschaftspublizistik

Der von einer unabhängigen Jury ausgelobte Preis ist nach Hans Matthöfer (1925–2009) benannt, einem der profiliertesten Gewerkschafter und sozialdemokratischen Politiker der deutschen Nachkriegsgeschichte. Der Diplom-Volkswirt war lange Jahre im Vorstand der Industriegewerkschaft IG Metall tätig. Als Gewerkschafter und Politiker verband Hans Matthöfer soziales Verständnis mit ökonomischer Kompetenz. Hans Matthöfer und seine Frau Traute setzten sich darüber hinaus für spanische Exildemokrat:innen ein, indem sie 1970 die spanischsprachige Zeitschrift Exprés Español gründeten und finanzierten. Ihr politisches und soziales Engagement mündete in den 1990er-Jahren in die Gründung der unselbstständigen Hans-und-Traute-Matthöfer-Stiftung unter dem Dach der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Die Digitalisierungsstraße der Bibliothek für die Digitalisierung historischer Zeitungen, April 2015

Die Digitalisierungsstraße der Bibliothek für die Digitalisierung historischer Zeitungen, April 2015

ab 2015

Mit der steigenden Zahl an Geflüchteten baut die Stiftung unter anderem ihr Bildungsangebot für Migrant:innen aus.

Unterstützung für Geflüchtete

Deutschland erlebt eine „Renaissance“ des Ehrenamts, denn zeitweise engagieren sich mehr als zehn Prozent der Deutschen für Geflüchtete. Um die Helfenden zu unterstützen und ihr Engagement zu strukturieren, entwickelt die Stiftung zahlreiche Angebote, vor allem in den Regionen, in denen es bis dato wenig Erfahrung bei der Integration von Migrant:innen gibt. So entstehen zum Beispiel in Thüringen Plattformen zur Vernetzung der Freiwilligen, in Sachsen intensiviert das dortige Landesbüro in Zusammenarbeit mit dem Dresdner Flüchtlingsrat den Austausch zwischen Vertreter:innen aus den Kommunen und dem sächsischen Integrationsministerium. Außerdem erarbeitet die Stiftung zahlreiche neue Fortbildungen, darunter Grundlagenseminare zu Flucht und Asylrecht für Helfende und Mitarbeitende aus kommunalen Verwaltungen sowie Seminare zum Umgang mit anderen Kulturen für Erzieher:innen und Grundschullehrer:innen. Darüber hinaus baut die Stiftung auch ihr Bildungsprogramm für Migrant:innen aus. Im Jahr 2016 vermitteln fast 50 Seminare auf Deutsch, Englisch, Farsi oder Arabisch Grundwissen über Deutschland und bestärken die Teilnehmenden, ihre Interessen zu artikulieren und sich politisch einzubringen.

2017

In Bangladesch nimmt die Akademie der Arbeit ihren Betrieb auf. Sie bildet gewerkschaftlichen Nachwuchs aus.

Dialog zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden

Die Stiftung reagiert damit auf das größte Unglück in der Geschichte der Textilindustrie: dem Einsturz der Fabrik Rana Plaza in Savar. Mehr als 1.100 Arbeiter:innen sterben dabei, weitere 2.500 Menschen werden verletzt. Im April eröffnet die Stiftung deswegen in Dhaka die Akademie der Arbeit, um dort Gewerkschafter:innen der mittleren Führungsebene fortzubilden. Das Ziel der Akademie ist es, die Gewerkschaften zu stärken und damit langfristig zu einem sozialen Dialog zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden beizutragen. Dafür verbinden lokale Trainer:innen in ihrem Unterricht Theorie und Praxis und setzen den Kampf um die Verbesserung von Arbeitsbedingungen in den globalen Kontext. In Zusammenarbeit mit dem Bangladesh Institute of Labour Studies sowie dem Brac Institute of Governance and Development der Brac University, beide sind in Dhaka angesiedelt, werden Module zur Geschichte der Gewerkschaften, zu den Rechten von Arbeitnehmer:innen und zu Fragen des globalen Handels entwickelt. Außerdem vermittelt das Programm Kenntnisse im Bereich Management und Organisation. Unterstützt wird die Stiftung in der Konzeption auch durch die Europäische Akademie der Arbeit an der Universität Frankfurt (EADA).

Teilnehmer:innen des ersten Kurses der Akademie für Arbeit in Bangladesch, 2017

Teilnehmer:innen des ersten Kurses der Akademie für Arbeit in Bangladesch, 2017

2020

Die Verbreitung des Corona-Virus und die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie beschleunigen die Digitalisierung. Die Stiftung baut ihre Online-Angebote weiter aus.

Neue digitale Formate

Nach dem Vorbild des 1982 ins Leben gerufenen wirtschaftsliberalen Kronberger Kreises beschließen die Teilnehmenden, künftig regelmäßig zusammenzukommen. Seitdem trifft sich der Kocheler Kreis etwa einmal im Jahr. Betreut vom Forschungsinstitut der Stiftung wirkt der Gesprächskreis in der Anfangszeit vor allem im Hintergrund und berät Stiftung und Partei zu wirtschaftspolitischen Fragen. Die wichtigsten auf den Treffen gehaltenen Vorträge werden publiziert, unter anderem zur Beschäftigungspolitik, um auf die in den 1980er-Jahren stark gestiegene Arbeitslosigkeit zu reagieren. Nach der Friedlichen Revolution 1989/90 nimmt der Gesprächskreis die Herausforderungen der deutschen Vereinigung in den Blick und untersucht unter anderem den Transformationsprozess in den neuen Bundesländern sowie Ansätze zur Neuordnung des Finanzausgleichs. Im Zuge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise melden sich die Expert:innen des Gesprächskreises zunehmend auch öffentlich zu Wort, analysieren in Stellungnahmen die Ursachen der Krise und zeigen Lösungsvorschläge auf. Daneben befasst sich der Kocheler Kreis mit grundsätzlichen sozialen Fragen, die durch die Krise an Aktualität gewonnen hatten, wie eine gerechtere Verteilung des Wohlstands.

2022

Das Büro in Kyiv bleibt geöffnet.

Eine historische Zäsur

Am 24. Februar 2022 beginnt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Für die europäische und globale Sicherheitsordnung bedeutet der Krieg eine historische Zäsur. Während die FES-Büros in Moskau und Sankt Petersburg zwangsweise durch die russische Regierung geschlossen werden, bleibt das Büro in der Hauptstadt der Ukraine geöffnet.

2022

Das Projekt „Wer zahlt die Zeche? Für eine gerechte Zukunft“ wird gestartet. Die „Erbschaftsteueruhr“ zeigt seitdem die Beträge an, die dem Staat durch Verschonung von Vermögen bei Erbschaften und Schenkungen entgehen.

Wer zahlt die Zeche?

Das Projekt „Wer zahlt die Zeche? Für eine gerechte Zukunft“ schafft einen Diskursraum, in dem neue und alte Ideen zur Finanzierung des Gemeinwohls und der Zukunftsinvestitionen zusammengedacht werden können – von der kommunalen über die landes- und bundespolitische bis hin zur europäischen und globalen Ebene. Das Projekt richtet den Blick insbesondere auf Argumente für eine Reform der Erbschaftsteuer. Diese kann ein wesentlicher Faktor bei der Bereitstellung notwendiger Mittel für öffentliche Investitionen sein und damit für ein höheres Maß an sozialer Gerechtigkeit in der Gesellschaft sorgen. Derzeit erben in Deutschland die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung die Hälfte des gesamten Erbvermögens, während die untere Hälfte überhaupt nichts erbt. Damit erhöhen Erbschaften und Schenkungen die soziale Ungleichheit in der Gesellschaft massiv. Wegen der umfangreichen Ausnahmen für Unternehmensübertragungen und weil auf sehr große steuerpflichtige Vermögen niedrigere Steuersätze als auf kleinere Erbschaften anfallen, verstärkt das aktuelle Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht diese Ungleichheit, anstatt ihr entgegenzuwirken.

Am 2. März 2025
jährt sich die Gründung der Friedrich-Ebert-Stiftung zum hundertsten Mal.